Zeit zu protestieren

Ich geb’s ja zu: eine Zeit lang hab ich drüber gelächelt, dass uns schon am frühen Nachmittag mitteilungsgeile Hausfrauen in den einschlägigen Talkshows mit Bekenntnissen kommen wie “Ich trage Reizwäsche aus gebrauchten Tempotüchern und geh auf den Hundestrich”. Ich fand das lächerlich und krank, klar. Aber nicht weiter bedrohlich, weil eben so völlig banal.

Das hat sich gründlich geändert.
Ich bin Pessimist geworden.
Weil die nicht aufgeben werden.

“Die” – das sind diejenigen, die sich mit Kameras und Mikrofonen in unser Privatleben bohren wie ein lästiger Wurm. Denn dort in unseren intimen Bereichen, in denen unsere wahrhaften Gefühle wohnen, also dort wo es noch einzig warm ist in dieser kalten Welt, dort wittern sie ihre Quote, ihren Schnitt, ihren Profit. Dort entdecken sie das, was sich aus-schlachten und verwerten lässt.

Nein, nicht die gepflegte harmlose Medienschelte jetzt! Ich mache mir vielmehr klar: was sich aus-schlachten lässt, ist danach tot. Mausetot.

Das Auge, so heißt es, hat einen großen Magen. Es kriegt nie genug.
Also Zeit, die Augen einmal zu zu machen. Zeit, endlich mal weg zu sehen. Endlich Zeit, sich etwas, ja vielleicht sogar mal alles entgehen zu lassen. Zeit, einmal nicht mitreden zu können.

Zeit, zu protestieren. Auf die Barrikaden! Online oder wo immer.

Veröffentlicht von ub

Ich betätige mich als Publizist, Autor, Speaker, Webdesigner und lebe mit meiner Familie in Donauwörth.

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