Theologie

Wissenschaft ist nicht dazu da, Probleme zu lösen, sondern zu vervielfältigen durch permanente Differenzierung von Terminologie. Auf diese Weise entsteht das sogenannte ‚Problembewusstsein‘, eine Kulturleistung ersten Ranges, die für manchen Triebverzicht entschädigt. Anlaß zum Terminologischen Lustgewinn geben in der Theologie die sogenannten ‚ewigen Fragen‘. Diese sind schon definitionsgemäß gegen den Pragmatismus von ‚Lösungen‘ gefeit.

Denn jedem wird einleuchten, daß eine Frage, die gelöst wird, keine ewige Frage mehr ist. So ist immer dafür gesorgt, daß die theologische Wissenschaft nicht aussterben kann. Auch dann nicht, wenn ihr der eigene Gegenstand abhanden gekommen ist. Im Gegenteil: der Verlust ihres Gegenstandes ist geradezu die Voraussetzung der Theologie. Sie hält sich dadurch geradezu auf der Höhe des sogenannten ‚Krisenbewusstseins‘, das dem Elend unserer Epoche seinen intellektuellen Glanz verleiht.

‚Theologie der Krise‘ ist demnach die Antwort auf Fragen, die so ewig sind, dass sie keiner mehr stellt. Was wäre die Theologie ohne Krise? Krise in Permanenz ist nicht nur wichtig zur Erhaltung des menschlichen Elends, sie ist auch notwendig für die theologische Existenz.
Sie, die Krise, provoziert erst den Begriff des ‚Ganz Anderen‘, der das theologische Denken so unangreifbar macht. Dieses Andere ist so anders, dass es sich jeder Definition entzieht. Es ist mithin auch nicht existenzbedrohend, obwohl es uns natürlich dauernd irgendwie ‚unbedingt angeht‘. Dieses andere veranlasst z.B. Theologen dazu, ihre Produktion niemals einzustellen. Im Gegenteil: je infrager sich die Theologen gestellt wissen., um so stetiger wächst ihr Werk.

Man nennt es auch ‚Dialektik‘. Dialektik in der Theologie ist, wenn man ständig radikal in die Entscheidung gestellt ist und sich dennoch nie zu entscheiden braucht, weil alles schon entschieden ist. Aber wir verdanken der Krise auch noch andere schöne Errungenschaften: z.B. die ‚Theologie der Entmythologisierung‘ und die ‚Theologie der Existenz‘.
Erstere fristet das Dasein des Theologen durch das Abtragen alter Weltbilder. Ehe man da auf den Grund kommt, wo dann das ‚Eigentliche‘ liegt, das braucht schon seine Zeit. Zudem verleiht die Entmythologisierungstheologie dem Theologen jene Aura von Kritizismus, die auf Volkshochschulebene noch immer ganz schön Eindruck macht. In der ‚Theologie der Existenz‘ wird der Mensch thematisch in seinem Dasein und Angesprochensein, sofern er als Herausgerufener, die gelichtete Welt im Rücken, Freiheit zum Tode hat. Auch das ist ein weites Feld.
So bleibt die Theologie dem Eigentlichen immer hart auf der Spur. Je verlorener die verlorene Dimension geht, desto subtiler wird die Suche nach der sogenannten ‚Wirklichkeit‘. Ein Laie könnte hier einwenden: Wirklichkeit, das sei nun wohl das Konkrete. Da kann aber ein Theologe nur schwermütig lächeln. ‚Wirklichkeit‘, das ist schon ein rechtes Geheimnis! Denn je länger man das Konkrete ins Auge faßt, um so mehr löst es sich auf in pure ‚Sprachereignisse‘.

Auf diese Weise entsteht das sogenannte ‚hermeneutische Problem‘. Diese hat die Funktion, uns Theologen von der Banalität des Faktischen zu entheben und die höhere Natur unserer Skrupel darzutun. Denn Fakten, so lehrt die Hermeneutik, gibt es gar nicht. Plötzlich ist alles nur noch eine Frage der ‚Interpretation‘. Interpretation ist dann gelungen, wenn sie das Woraufhin ihrer als dessen eigenes Woher zur Sprache bringt. Dieses nennt man auch die ‚Zirkelstruktur des Verstehens‘.

Veröffentlicht von ub

Ich betätige mich als Publizist, Autor, Speaker, Webdesigner und lebe mit meiner Familie in Donauwörth.

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